Große Erfolge, tiefe Trauer.

In der 7. und letzten Folge unseres Blogs über die Malerin Anna Stainer-Knittel, die als ‚Geierwally’ zur Berühmtheit im deutschsprachigen Raum gelangt war, schildern wir den letzten Lebensabschnitt dieser mutigen und selbstbewussten Frau. Finanzielle Erfolge, der Umzug in das Trapp-Palais an der Maria-Theresien-Straße, die heranwachsenden Kinder, eine Reise nach Venedig und der schmerzvolle Verlust ihrer Tochter Rosa kennzeichnen die letzten Lebensjahre dieser außergewöhnlichen Frau.
Die Wiener Weltausstellung des Jahres 1873 wurde für Anna Stainer-Knittel überraschenderweise zu einem erheblichen, finanziellen Erfolg, wie wir in der vorigen Folge geschildert haben. Wurde doch ihr eingereichtes Bild um 500 Gulden (rund 12.000 €) nach England verkauft. Leider ist es seither quasi ‚verschollen‘, übrig geblieben ist lediglich eine Skizze des Bildes.
Bleistiftskizze jenes Bildes, das Anna Stainer-Knittel zur Ausstellung nach Wien geschickt hatte und das ihr die damals enorme Summe von 500 Gulden einbrachte, wie sie selbst unterhalb der Skizze vermerkte. Das Bild ging nach England, ist aber leider ‚verschollen‘. Bild aus: Nina Stainer, ‚Anna Stainer-Knittel, Malerin.‘

Von der Cholera ‚gestreift‘?

Anna ließ es sich gemeinsam mit Gatten Engelbert nicht entgehen, der Ausstellung einen Besuch abzustatten. Dabei konnte sie ihr Bild in einem Nebensaal sehen. Angetan von Hans Markarts Riesenbild ‚Venedig huldigt der Catharina Cornaro‘, von Stoffen, Kunstwerken und Maschinen resümierte sie in ihren Erinnerungen: „Die Weltausstellung samt dem Leben in dem geräuschvollen Wien hatte uns beide ganz konfus gemacht, fast ganz dumm waren wir, von dem vielen was wir gesehen und gehört hatten, auch einen gelinden Colera-Anfall hatten wir alle beide, doch dem entronnen wir, dank der Sorgfalt unterer lieben gastfreundlichen Frau Pöll, bald, und nun brannte uns der Boden unter den Fußen, und athmeten erleichtert auf, als wir Wien, dies schreckliche, gräßliche Wien hinter uns hatten.“

Nach der Rückkehr aus Wien konnte Anna keinen Pinsel mehr halten. Der Grund dafür blieb rätselhaft. Ein längerer Aufenthalt im heimatlichen Lechtal verbunden mit Feldarbeit erlaubte es ihr dann, ihre künstlerische Arbeit wieder aufzunehmen.

Umzug ins ‚Trapp’sche Haus‘

Neben der Souvenirmalerei widmete sie sich der Anfertigung botanischer Studien mit hoher Detailtreue. Es sind wunderbare Darstellungen verschiedenster Blumen und Pflanzen, die sie in dieser Zeit anfertigte. Der Umzug in die Maria-Theresien-Straße in das ‚Trapp’sche Haus gegenüber dem Landhaus‘ eröffnete auch geschäftlich neue Möglichkeiten.

In der Zwischenzeit absolvierten die beiden Buben Leo und Karl Gymnasium und Realschule. Während Leo bei seinem Vater eine Lehre absolvierte und Lehrjahre in Berlin verbrachte entschied sich Karl für ein Medizinstudium. Rosa besuchte ebenso wie ihre jüngere Schwester Emma eine Nähschule in St. Nikolaus. 
Die Familie Stainer-Knittel auf einem Familienfoto des Jahres 1890. Vorne Engelbert und Anna, hinten v.l.n.r.: Leo, Emma, Karl und Rosa. Bild aus: Nina Stainer, ‚Anna Stainer-Knittel, Malerin‘.
Einschneidende Erlebnisse prägten dann die Familiengeschichte. Rosa verlobte sich mit einem Apotheker, der nach seiner Promotion eine Apotheke in Kössen übernahm und dort auch gleich ein Verhältnis mit einer anderen Frau einging. Rosa löste die Verlobung auf und litt zunehmend auch gesundheitlich unter dieser Enttäuschung. 

Die Venedig-Reise

1892 feierten Engelbert und Anna ihre Silberhochzeit. Aus diesem Anlass machten die beiden eine Reise nach Venedig. In ihren Lebernserinnerung beschreibt Anna die Reise einigermaßen ausführlich. Man reiste über Trient, den Gardasee, Vicenca, Padua und erreichte schließlich Venedig. „In meiner Jugend träumte ich davon, als Kunstjüngerin sehnte ich mich dahin und als alte Frau komme ich her“ resümierte Anna.

Ihre ausgedehnten Besichtigungstouren umfassten auch den Dogenpalast, den sie kühl charakterisierte: „Zuerst großartig, wunderschön, dann interessant, zuletzt fürchterlich, Greulich und abschreckend, voll Abscheu verlässt man zuletzt den Palast, wo die venezianische Herrschsucht solche Denkmale setzte.“ Tief berührt war sie vom erstmaligen Anblick des Meeres, den sie am Lodo genoss. „Dieser Nachmittag war der schönste von der ganzen Reise.“

Tiefe Traurigkeit

Bei ihrer Rückkehr nach Innsbruck stellte sich heraus, dass sich Rosas Gesundheit verschlechtert hatte. Emma hatte sich mit Ernst Pechlaner nicht nur verlobt sondern machte bereits konkrete Hochzeitsvorbereitungen. Die Gesundheit Rosas verschlechterte sich zunehmend, auch eine wochenlange Kur in Meran brachte keine Linderung ihres Leidens. Die Heimkehr der vom Tod gezeichneten Tochter Rosa – ihr Bruder Karl holte sie von Meran zurück – erlebte Anna mit Angst und Schrecken. Ihr drittältestes Kind verstarb am nächsten Tag.
Das wunderschöne Porträt der Rosa Stainer, von Mutter Anna. Bild aus: Nina Stainer, ‚Anna Stainer-Knittel, Malerin‘.
Im darauffolgenden Jahr schloss Karl sein Medizinstudium ab und zog mit seiner Frau nach Wattens, wo er die Stelle als Gemeindearzt antrat. Leo übernahm das Geschäft in der Maria-Theresien-Straße, Anna und Engelbert zogen in die Templstraße, halfen anfänglich aber noch im Geschäft mit. Engelbert verstarb am 13. September 1903 an einem Magenleiden. Anna verbrachte in den Folgejahren viel Zeit bei ihrem Sohn in Wattens und durfte 1911 noch eine Ausstellung im Ferdinandeum erleben, die ihr gewidmet war.
Das ‚Trapp’sche Haus‘ in der Theresienstraße. Das Geschäftslokal ist bereits von Leo übernommen, wie das Foto zeigt. ©Sammlung Stadtarchiv Innsbruck

Ein Selbstporträt als Resümee eines erfüllten Lebens

Ein Selbstportrait sollte ihr letztes Kunstwerk bleiben. Es zeigt eine entschlossene ältere Dame mit der Palette in der linken Hand vor dem Hintergrund ihres Bildes „Blick auf Untergiblen“. So, als wolle sie sich noch einmal ihrer Kindheit und Jugend erinnern. Im Vordergrund enthält das Portrait Alpenblumen in einer Vase und in einem Holzkörbchen. Ganz so, als wollte sie ein Resümee ihres Schaffens ziehen.
Das letzte Werk der großen Tiroler Malerin war ihr Selbstporträt. Es scheint, als wollte sie damit eine Art Resumée ihres Lebens geben. Bild aus dem Familienbesitz Stainer in Wattens, wo sie das Bild malte
Anna Stainer-Knittel verstarb am 28. Februar 1915 an den Folgen einer Lungenentzündung im Haus ihres Sohnes Karl in Wattens.
Autor
Werner Kräutler