„Meine Malerei scheint in Mode gekommen zu sein.“
Ein neues Tiroler Filmprojekt will den knapp 200 Jahre alten Romanstoff über ‚die Geierwally‘ im kommenden Jahr 2025 näher an der Wirklichkeit verfilmen. Wir begleiten das Projekt Tiroler Künstler_innen in den kommenden Monaten auf diesem Blog mit Schilderungen des wirklichen Lebens der legendären Frau. Weitere Infos zu diesem Projekt Tiroler Künstler_innern finden interessierte Leser_innen auf dieser Website unter "Der Film".
Die Inhalte der bisher fünf Blogs zu Anna Stainer-Knittel
Anna Stainer wird 1841 in Elbigenalp geboren. Ihr Talent zu malen wird vom ‚Vater des Lechtales‘, Anton Falger früh erkannt, der sie auch unter seine Fittiche nimmt. Dass sie im jugendlichen Alter zwei Adlerhorste ‚ausgenommen‘ hatte wurde durch jenen Mann bekannt, der den ersten wirklichen Reiseführer durch Tirol verfasst hat: Ludwig Steub. Er veröffentlicht die Geschichte dieser mutigen Tat in einem deutschen Magazin. Jahre später wurde der Stoff in Romanform zu einem Bestseller.
Nachdem Anton Falger Anna Knittel, allseits nur ‚Knittele‘ genannt, motiviert hatte, in München eine Zeichenschule zu besuchen schnupperte die junge Frau erstmals Stadtluft. Sie lernte berühmte Maler kennen wie etwa Moritz von Schwind oder Mathias Schmid. Nachdem sie als Frau zur damaligen Zeit nicht auf der Universität studieren durfte beendete sie 1863 ihre Studien in München. Da Innsbruck die Stadt ihrer Sehnsucht war zog sie auf Anraten ihres Bekannten, des damals berühmten Paznauner Malers Matthias Schmid in die Landeshauptstadt und hielt sich mit Porträtmalerei über Wasser. Dort lernte sie aber den Gips-Formator Engelbert Stainer kennen und lieben. Und das, obwohl ihr Vater mit diesem Schwiegersohn anfänglich ganz und gar nicht einverstanden war. Hier zeigte sich die der unbändige Freiheitswille dieser Frau, die „lieber in Armut leben wollte als ihren geliebten Mann zu verlassen“, wie sie selbst schrieb. In den späten 70er und frühen 80er Jahren des 19. Jahrhunderts konnte Anna Stainer-Knittel erste ‚zählbare‘ Erfolge als Malerin feiern. Das war auch gut so, denn inzwischen hatte sie drei Kindern das Leben geschenkt.

Engelbert Stainer, der von Anna Knittel geliebte Mann. Aus: Nina Stainer, ‚Anna Stainer-Knittel, Malerin‘, Universitätsverlag Wagner
Ein Kaiserbild und ‚Falsche Zöpfe‘ am Kaiserempfang
In ihren Lebenserinnerungen schildert sie den vielleicht entscheidenden Punkt ihrer Karriere als Malerin. Kaiserin Elisabeth, genannt Sissi, verbrachte den Winter des Jahres 1870 in Meran. Im Februar 1871 besuchte Kaiser Franz Joseph I. seine Familie und kam bei der Durchreise nach Innsbruck. Hier wurde nun ein Empfang quasi ‚aus dem Boden gestampft‘. Ein Künstler wurde gesucht, der ein überlebensgroßes Porträt des Kaisers in kürzester Zeit zu malen bereit war. Das Bild sollte den Saal schmücken, in dem der große Empfang stattfand. Anna bewarb sich im Gegensatz zu vielen Kollegen und erhielt den Auftrag. Damit verbunden war natürlich eine Einladung zum Kaiser-Empfang.

Das von Anna Stainer-Knittel in aller Eile 1871 gemalte Kaiserbild (Ausschnitt). Aus: Helga Reichart, „Die Geierwally“, Haymon-Verlag
Der Bürgermeister bat sie, beim Empfang ein ‚Lechtaler Kostüm‘ zu tragen. In letzter Sekunde schickte ihr Vater eine ausgeliehene Tracht. Sie hatte lediglich ein Problem: ihre kurzen Haare waren damals ein regelrechter Affront für eine Frau. Sie wusste sich zu helfen und befestigte einfach falsche Zöpfe am Hut.

In ihrem Gemälde ‚Kirchgang in Elbigenalp‘ verewigt Anna Stainer-Knittel einerseits die Kirche, in der sie getraut worden war und andererseits Frauen in den wunderschönen aber teuren Lechtaler Trachten.
Der Kaiser wollte wissen, ‚ob sie immer male‘
Anna wurde tatsächlich dem Kaiser vorgestellt, der sie fragte, ob sie immer male. „Ja, Majestät, es ist mein Beruf“ war ihre Antwort. „Worauf er mir noch einige aufmunternde Worte widmete, dann war ich entlassen.“ Vermutlich hatte sich Franz Joseph wie immer ‚sehr gefreut‘.
Mit dem Kaiserporträt begann die Erfolgsgeschichte von Anna Stainer-Knittel als Malerin. Sie erhielt wieder Aufträge für Porträts, die aufgrund der aufkommenden Fotografie allerdings immer mehr abnahmen. „Dann kam eine Rettung“, schrieb sie in ihren Lebenserinnerungen. „Mandl (gemeint war Gatte Engelbert) bewog mich anzufangen, Blumen zu malen. Mandl wünschte sich zu seinem Namensfeste einen „Blumenstrauß, der nicht verwelkte.“

Anna Stainer-Knittel, Almblumenstrauß, undatiert Innsbruck, TLM, Ältere kunstgeschichtliche Sammlung, Inv.Nr. Gem 2182 Foto: TLM
Erste Versuche waren erfolgreich. „Dann brachte Mandl eine Schüssel von Alabaster. Denn kurz zuvor hatten wir von einem Welschen eine kleine Partie Vasen, Schalen und Schälchen gekauft. Darauf musste ich ihm eine Alpenrose malen.“ Dass sie eine kleine Goldader damit gefunden hatte war bald klar. Das Schälchen wurde sofort verkauft. „Nun packte mich die Lust und sofort verübte ich nun eins ums andere.“ Engelbert Stainer hatte in der Zwischenzeit sein Geschäftslokal in der Maria-Theresienstraße eröffnet. Damals wie heute ideal gelegen, um Souvenirs zu verkaufen. Jedenfalls verbesserte sich die finanzielle Situation des Ehepaares erheblich.

Ein kleines Vermögen für ein einziges Bild
Die in Wien geplante Weltausstellung in Wien war plötzlich ein Thema. Anna wurde zur Teilnahme eingeladen. Sie beschloss, ein größeres Bild zu malen. „Ich dachte an einen Alpenblumenkranz, in der Mitte zwei Mädln, die Rauten von Felsen herab holten. Im Hintergrund malte ich die Freispitze im Parseier.“ Die Wiener Weltausstellung fand vom 1. Mai bis zum 2. November 1873 zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum statt. Sie war damals ein Schaufenster der aufkommenden Industriezeitalters mit all den technischen Entwicklungen. Da wurden Maschinen, Landwirtschaft und Kunst wie in einer lebendig gewordenen Enzyklopädie präsentiert. Die Ausstellung stand jedoch unter keinem guten Stern.
Ein Börsenkrach im Vorfeld und eine Choleraepidemie minderten die Besucherzahlen massiv. Das Bild, das Anna Stainer-Knittel eingerecht hatte sollte in der Abteilung ‚Frauenarbeiten‘ ausgestellt werden. Ihr Bild ging jedoch in der großen Masse der Gemälde unter. Ein Bekannter half ihr jedoch, das Bild in einer Ausstellung des Künstlerhauses zu platzieren. Und tatsächlich: Eines Tages brachte ihr der Geldbriefträger einen dicken Geldbrief von Wien für „mein Bild, den Kranz von der Weltausstellung.“ Sie erhielt sage und schreibe 500 Gulden, was heute einem Wert von etwa 12.000 Euro entspricht.

Bleistiftskizze jenes Bildes, das Anna Stainer-Knittel zur Ausstellung nach Wien geschickt hatte und das ihr die damals enorme Summe von 500 Gulden einbrachte, wie sie selbst unterhalb der Skizze vermerkte. Das Bild ging nach England, ist aber leider ‚verschollen‘. Bild aus: Helga Reichart, „Die Geierwally“, Haymon-Verlag
Die verwendeten Quellen sind aus dem Werk „Anna Stainer-Knittel, Malerin“ entnommen, das 2015 anlässlich ihres 100. Todestages von Nina Stainer, ihrer Urenkelin im Innsbrucker Universitätsverlag Wagner eschienen ist.

Literatur
Anna Stainer-Knittel Malerin
von Nina Stainer
Das umfangreichste Werk zum Leben von Anna Stainer-Knittel gibt es als Buch und e-book.
von Nina Stainer
Das umfangreichste Werk zum Leben von Anna Stainer-Knittel gibt es als Buch und e-book.

Autor
Werner Kräutler
Werner Kräutler